Direkt zum Hauptbereich

Exodus (Pang Ho-Cheung, Hongkong 2007)


EXODUS ist ein weiterer Vertreter des HK-Cop-Thrillers, aber ein besonderer! Die Handlung ist seltsam und kurios zugleich: Polizist Tsim (Simon Yam) nimmt die Anzeige eines scheinbar verwirrten Mannes auf, der behauptet, "Frauen" würden ihm nach dem Leben trachten. Ein Tag darauf scheint er eingeschüchtert worden zu sein und widerruft seine Aussage. Die einzige Person, zu der er Kontakt hatte, war jedoch eine von Tsims Kolleginnen. Das macht ihn neugierig, und so macht er die Aufklärung des Falles zu seiner persönlichen Sache.

Wer möchte, klar, kann hier mit einem Genderdiskurs anknüpfen. Meines Erachtens ist das Besondere des Films aber die Machart. Der Film ist extrem arthausig photographiert, eine Sache die zunächst positiv überrascht. Die Bilder orientieren sich sehr an Perspektiven, an architektonischen Strukturen. Dazu gesellen sich sehr langsame, kontemplative Schwenks in einer häufig nächtlichen, halbdunklen oder abgedunkelten Situation. Auf Dauer wirkt das etwas maniriert, sehr gesucht. Man fragt sich, ob das Bild nicht gewaltsam mit Originalität aufgeladen wird. Etwa wenn ständig der eigentliche Bildmittelpunkt, also zum Beispiel der Protagonist, ganz an den Bildrand gedrängt wird. Oder wenn dicht an einer Wand entlang in die Flucht geschossen wird, in der gerade zwei Personen einen Flur hinabgehen. Dadurch entstehen schöne Bildschirmschoner, aber gesehen hat man das ja auch schon öfter.
Natürlich läßt sich dieses An-den-Rand-Drängen inhaltlich begründen, da "die Männer" eben an den Rand gedrängt werden sollen, bzw. aus der Gesellschaft hinaus. Dennoch wirkt dieses Vorgehen auf Dauer bemüht. Ein sehr zurückhaltender Score und stark reduzierte Umweltgeräusche evozieren zudem die Abgeschlossenheit diese Systems, spiegeln die psychische Lage Tsims wieder, der sich immer mehr in den Fall hineinstürzt, und sich zunehmend von seiner Frau entfremdet.
Ein offenes Ende, das zur Diskussion einlädt, rundet diesen ungewöhnlichen Film ab, der mir letztlich gut gefallen hat und aus dem Einheitsbrei des HK-Thrillers positiv heraussticht.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

No Blood Relation / Nasanunaka (Mikio Naruse, Japan 1932)

Der etwa ein Jahr vor Apart from You entstandene Film Nasanu naka , Naruses erster Langfilm, ist unter den noch verfügbaren Stummfilmen eine deutlich ungehobeltere Produktion, als dessen recht bekannter Nachfolger. Schon die Eröffnungssequenz ist ein richtiger Tritt vor die Brust. Mit schnellen Schnitten und agiler Kamera wird die turbulente Verfolgung eines Taschendiebes gezeigt. Bevor der Dieb später auf offener Straße, so die komödiantische Auflösung, die Hosen herunterlässt um seine Unschuld zu beweisen (übrigens sehr zum Amusement der ebenfalls anwesenden jungen Damen, die aus dem Kichern nicht mehr herauskommen). Die Eröffnung aber ist gleich ein radikaler Reißschwenk über eine Straßenszene hinweg, hinein in eine schreiende Schrifttafel mit dem Ausruf: DIEB! Hier die Sequenz: Darauf die Verfolgung des Taschendiebes durch die alarmierten Passanten, die von der Straße zusammenkommen oder aus den umliegenden Geschäften herausstürzen, alles mit schnellen Schnitten m