Direkt zum Hauptbereich

True Story of a Woman in Jail: Sex Hell / Jitsuroku onna kanbetsusho: sei-jigoku (Koyu Ohara, Japan 1975)





Als Mayumi (Hitomi Kozue) die Liebhaberin ihres Freundes ersticht, landet sie im Knast - selbstredend in einem gefürchteten Frauengefängnis, in welchem nicht nur üble Wärter ihr Unwesen treiben, sondern auch die Mitinsassinnen klare Hierarchien und Machtstrukturen aufgebaut haben. Und wo die Schwachen und die Neuzugänge erstmal nichts zu lachen haben.

Mayumi hält sich dann auch erstmal bedeckt und im Hintergrund - eine erste Attacke von der Frauengang in ihrem Zellenblock kann sie noch halbswegs parieren und sich etwas Reputation aufbauen. Anschließend kapriziert sich der Film auf die Darstellung des Gefängnisalltags, wobei die Kamera keine Gelegenheit auslässt, nackte Hintern, blanke Busen und Formen der sexuellen Ausbeutung ins Licht zu rücken. So wird etwa das Thema Schwangerschaft/Abtreibung mehrfach aufgegriffen, die Einzelhaft mit ihren langen Nächten der Isolation, und der intime Warenaustausch von Wärter und Insassin. Überhaupt eines der zentralen Motive des Films: der Körper als Ware. Denn Sex ist, ob erzwungen oder erkauft, immer ein virulentes Thema im Aufeinanderprallen der Geschlechter. Dass man im Film auch innig empfundene Frauenliebe bewundern darf, versteht sich von selbst.

Gewalt, Sex, Folter, Vergewaltigung, Dusch- und Badeszenen, Lesbensex und gynäkologische Experimente: hier bekommt man alles, unterlegt mit funkig-bluesigen Rhythmen von der Tonspur. Nichts, was besonders herausragen würde im WIP-Genre also, aber dennoch individuell grundiert mit einem dunklen Ton, einer Atmosphäre der Verzweiflung. Vor allem aber wird hier sehr deutlich, wie Nikkatsu das um nur wenige Jahre jüngere und erfolgreiche Toei-Konzept der SASORI: FEMALE PRISONER SCORPION - Reihe mit Meiko Kaji in der Hauptrolle zu kopieren versucht - eine Vorlage, die radikaler, sowie auch visuell und ästhetisch deutlich ambitionierter ist. So hatte Nikkatsu ja Anfang der Siebziger vollständig die Filmproduktion auf Erotikfilme umgestellt (und sich bei den Regisseuren Ärger eingefangen), auf ihren so genannten Roman Porno.  Um dann in zwei Dekaden eine riesige Menge von um die 700 Pink-Filme zu produzieren. Die Nachahmung glückt in TRUE STORY OF A WOMAN IN JAIL leider nur bedingt, doch sind die Höhepunkte grotesk genug, sowie der Film von einer sehr goutierbaren bahnhofskinomäßigen Pinku-Länge von knapp über einer Stunde, daß man bei der Stange bleibt. Das Finale ist dann doch überraschend originell und sauber ausgeführt, sodaß man anschließend vergnügt und zufrieden in sein harmloses Leben zurückkehren kann.

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

No Blood Relation / Nasanunaka (Mikio Naruse, Japan 1932)

Der etwa ein Jahr vor Apart from You entstandene Film Nasanu naka , Naruses erster Langfilm, ist unter den noch verfügbaren Stummfilmen eine deutlich ungehobeltere Produktion, als dessen recht bekannter Nachfolger. Schon die Eröffnungssequenz ist ein richtiger Tritt vor die Brust. Mit schnellen Schnitten und agiler Kamera wird die turbulente Verfolgung eines Taschendiebes gezeigt. Bevor der Dieb später auf offener Straße, so die komödiantische Auflösung, die Hosen herunterlässt um seine Unschuld zu beweisen (übrigens sehr zum Amusement der ebenfalls anwesenden jungen Damen, die aus dem Kichern nicht mehr herauskommen). Die Eröffnung aber ist gleich ein radikaler Reißschwenk über eine Straßenszene hinweg, hinein in eine schreiende Schrifttafel mit dem Ausruf: DIEB! Hier die Sequenz: Darauf die Verfolgung des Taschendiebes durch die alarmierten Passanten, die von der Straße zusammenkommen oder aus den umliegenden Geschäften herausstürzen, alles mit schnellen Schnitten m