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13 Assassins / Jusan-nin no shikaku (Takashi Miike, Japan 2010)


Japan im Jahre 1844: Fürst Naritsugu (Goro Inagaki), der jüngere Halb-Bruder des Shoguns, blamiert diesen zusehends mit seinen sadistischen Eskapaden. Nicht nur führt er ein Leben der ungehemmt sexuellen Freizügigkeiten, das ihn auch nicht vor Vergewaltigungen zurückschrecken lässt, nein, aus einer Laune heraus ermordet er die Bedienstetenfamilie eines Gastgebers mit Pfeil und Bogen. Als er eines Nachts in einem Gasthaus die Gattin eines jungen Mannes vergewaltigt (und sie sich anschließend das Leben nimmt), dann den Ehemann abschlachtet, kann man nicht länger tatenlos zusehen - der Mann war der Sohn eines angesehenen Samurai. Ein verdeckter Auftrag des Shoguns geht nun an den Samurai Shinzaemon Shimada (Koji Yakusho), der eine Assassinentruppe zusammenstellen soll, um den unmöglich gewordenen Naritsugu zu töten.


13 ASSASSINS ist ein beeindruckender Samurai-Film geworden. Nicht zuletzt die 45minütige Battle-Szene am Ende (die also eigentlich die komplette zweite Filmhälfte einnimmt) ist Ursache für die weithin reichende Begeisterung - ein wahrer Orkus an Gemetzel tut sich hier auf, toll inszeniert, dynamisch organisiert, aufwendig konzipiert und doch zugleich so matschig, dreckig, verregnet. Hier spritzt das Blut beinah in schwarz, so düster ist das Finale.


Man hat also längst die Unebenheiten der ersten Hälfte vergessen, wenn man als Zuschauer miträtselt, wie um Gottes Willen nur 13 Mann eine ganze Armee aufhalten sollen. Und man hat eigentlich auch vergessen, dass der Film von Miike ist. Denn kaum erkennt man den Regisseur wieder, so souverän ordnet er sich seinem Sujet unter. In der ersten Hälfte ist das noch anders. Hier gibt es etwa die Szene mit der Mätresse Naritsugus, der die Gliedmaßen abgeschlagen wurden, und die Zunge abgeschnitten. Eine Referenz an Shakespeares TITUS ANDRONICUS. Und wer bei der generellen Anlage des Plots nicht an Kurosawas SIEBEN SAMURAI denkt, leidet wohl unter Gedächtnisverlust, so offensichtlich sind die Ähnlichkeiten. Bis hinein ins Ensemble; denn die Rolle des mifuneschen Kauzes wird hier von Koyata (Yusuke Iseya) übernommen: ein wie wahnsinnig herumhüpfender und gerissener Waldmensch.


Ein Manko des Films ist aber die mangelhafte Figureneinführung. Freilich kann man nicht erwarten, dass 13 Figuren angemessen und gleichrangig an Profil gewinnen. Doch ist es schon ein wenig enttäuschend, wenn etliche der durchaus nicht unsympathischen Herren lediglich für die Actionszenen herhalten müssen. Der Tod der Protagonisten ist neben allen aufrechten, ideellen Opfereinbußen, die sowieso bestehen, dem Zuschauer recht gleichgültig. Hier verselbständigt sich der Film bisweilen zum Sensationslieferant für die Schaulustigen. Das mag allerdings am gekürzten "International Cut" liegen, mit dem der westliche Zuschauer abgespeist wird. Insgesamt fehlen zwei nicht unwichtige Szenen (soweit ich weiß aus der ersten Hälfte), die den Figuren mehr Profil zukommen lassen sollen. Schade, dass selbst bei einem derart renommierten Filmemacher solche Praxis gehandhabt wird. So ist es dann doch nicht immer das Schlechteste, in Fernost einzukaufen. Konbanwa.

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