Direkt zum Hauptbereich

The Complex (Hideo Nakata, Japan 2013)


Die Schwesternschülerin Asuka (Atsuko Maeda) zieht mit ihren Eltern in einen seltsam heruntergekommenen Apartment-Komplex, der sich in einem der Vororte Tokios befindet, und über den sie kurze Zeit später von ihren Mitschülerinnen erfährt, dass es ebendort spucken würde. Und abgesehen davon, dass die ganze Anlage häufig merkwürdig entvölkert wirkt, scheint da eine tiefe Stille vorzuherrschen. Aber, man hört den Wind, die Sonne berührt das Gesicht der Haut, wenn man über den Spielplatz geht. Dort freundet sie sich mit einem Nachbarsjungen an, der sich zunächst vor ihr fürchtet, dann aber Zutrauen fasst. Morgens wird sie von einem Weckerläuten wachgerüttelt, das kommt von nebenan. Doch dort wohne nur ein einsamer, alter Mann, sagt man ihr. Irgendwann hat sie es aber satt, dass man ihn nicht zu Gesicht bekommt und geht einfach hinein in diese zugemüllte Höhle voller Schatten und dicker Gerüche. Dort findet sie ihn, eine ausgetrocknete, leblose Hülle, was einst ein Mensch war, der sich durch die Wand kratzen wollte – wohl zu ihr selbst hinüber, aus Angst vor dem kommenden Tod.

Dann aber verschiebt sich der Horror nach innen, ins Psychologische. Ist es doch nur Asuka, die sich all das ausdenkt, phantasiert, traumatisiert, geschädigt von einem Erlebnis aus der Kindheit? Ist es eine Schuld, die sie mit sich herumschleppt? Immer wieder werden schnelle Bilder eines Autounfalls dazwischengeschnitten, die darauf hinweisen, dass hinter der Sache, die wir im Film zu sehen bekommen, noch eine weitere Ebene lauert – eine womöglich schrecklichere, die sich in die Wirklichkeit hinein Bahn brechen wird?


***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

Kandagawa Wars / Kandagawa Inran Senso (Kiyoshi Kurosawa, Japan 1983)

Zwei aufgedrehte Mädels beobachten mit ihren Ferngläsern des Nachts nicht nur die Sterne am Firmament, nein, sondern auch den Wohnblock auf der anderen Seite des Flusses gegenüber. Dort nämlich spielt sich Ungeheuerliches ab: ein junger Mann, der sich für Godard, John Ford, Deleuze und seine Querflöte interessiert, wird von seiner Mutter in regelmäßigen Abständen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Diese inzestuöse Schweinerei können die beiden nicht mehr länger tolerieren und so planen sie, den Unterdrückten aus seiner Sexhölle zu befreien - um ihn selbst zu besteigen, quasi als Heilmittel. Dabei haben sie nicht bedacht, dass der junge Herr vielleicht sogar ganz glücklich war mit seinem Muttersöhnchenstatus. Einmal fremdgegangen, will er sich direkt von der Brücke stürzen. Zudem wäre auch im eigenen Bette zu kehren: denn eine der beiden aufgeweckten Freiheitskämpferinnen wird selbst recht ordenlich unterdrückt. Ein ekliger Brillentyp, sowas wie ihr Freund, besteigt sie in unersättli