Direkt zum Hauptbereich

A Traffic Controller on Crossroads (?, Nordkorea 1986)


Ein wenig berührendes Drama - aber immerhin, ein wenig tut es das schon - um eine Verkehrspolizistin in Pyöngyang, die, neu in ihrem Job, alles ganz genau nimmt. So nimmt sie direkt einen Lastwagenfahrer hoch, der sich durch ungehöriges Schnellfahren bemerkbar macht. Als sie dann aber merkt, dass er der Lieferant für die eigene Waschmaschine ist, die Frau Mutter bestellt hat, überlegt sie, ihn davonkommen zu lassen; weil: schlechtes Gewissen (die Kreuzungen im Filmtitel sind also durchaus auch metaphorisch zu verstehen - Pflicht versus Gewissen, eventuelle romantische Verwicklungen usw.). Da gerät sie aber mit der Vorgesetzten aneinander, die, ebenfalls ein scharfer Hund, vor allem um die Sicherheit auf den Straßen besorgt ist. Da gibt es kein Pardon.

Letztlich ist dies aber ein Film über die Sicherheit auf den Straßen Nordkoreas. Ein Lehrfilm. Etliche Male wird über verschiedene Verstöße debattiert, die entsprechenden Straßenschilder werden sogleich eingeblendet, verschiedene Verkehrsdelikte geahndet, quasi Präzedenzfälle, aber die Damen von der Verkehrspolizei gehen sehr fürsorglich miteinander um. So sollte man das machen, verantwortungsbewußt und generell im Beruf. Auch mit den anderen Verkehrsteilnehmern übrigens, die sie mit sanfter Autorität belehren und zum Besseren bekehren. Einem müden LKW-Fahrer etwa wird ein einstündiger Tiefschlaf befohlen, den er dankend annimmt. Als ein anderer eine Panne hat, organisiert die Polizistin direkt einen Mechaniker. Einem weiteren hilft sie, bei einsetzendem Regen den Transporter abzudecken. Gemeinsam, so lernt man, geht's besser.

Inmitten all dieser netten Absurditäten der kommunistisch-sozialistischen Nächstenliebe findet sich ein Loblied auf die Straße und ihre Ordnungshüter, das sehr beschwingt und hymnisch-propagandistisch das tatkräftige Engagement besingt. Bei Tag und bei Nacht seien sie zur Stelle, bei Sonne und bei Regen, auf ihrer vielgeliebten Straße: "Oh, my lovely dear street!". Es hat etwas von einer Musical-Szene in einem Film der französischen Nouvelle Vague, wie da apart hin und her geschnitten wird:

  

Die Regenschirme von Pyöngyang gehen dann aber doch nicht soweit aus sich heraus, dass sie durcheinanderwirbeln würden. Immerhin wird am Ende die Arbeit der tatkräftigen Damen gewürdigt, und sie bekommen Blumen gereicht - und der Lastwagenfahrer, der gegen alle Regeln verstieß, lächelt nett herüber. Das Gute, das man tut, kommt wieder zu einem zurück. Interessant, dass es einen solchen Film ausgerechnet aus einem Land gibt, wo man eher mit weniger Verkehrsaufkommen rechnen würde. Aber gut. Alles in allem: ein bedenklicher Film, aber schön gemacht mit Einblicken in nordkoreanische Alltagsrealitäten - und dabei unterhaltsamer, als sich das nach meiner Beschreibung vielleicht anhören mag.

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

No Blood Relation / Nasanunaka (Mikio Naruse, Japan 1932)

Der etwa ein Jahr vor Apart from You entstandene Film Nasanu naka , Naruses erster Langfilm, ist unter den noch verfügbaren Stummfilmen eine deutlich ungehobeltere Produktion, als dessen recht bekannter Nachfolger. Schon die Eröffnungssequenz ist ein richtiger Tritt vor die Brust. Mit schnellen Schnitten und agiler Kamera wird die turbulente Verfolgung eines Taschendiebes gezeigt. Bevor der Dieb später auf offener Straße, so die komödiantische Auflösung, die Hosen herunterlässt um seine Unschuld zu beweisen (übrigens sehr zum Amusement der ebenfalls anwesenden jungen Damen, die aus dem Kichern nicht mehr herauskommen). Die Eröffnung aber ist gleich ein radikaler Reißschwenk über eine Straßenszene hinweg, hinein in eine schreiende Schrifttafel mit dem Ausruf: DIEB! Hier die Sequenz: Darauf die Verfolgung des Taschendiebes durch die alarmierten Passanten, die von der Straße zusammenkommen oder aus den umliegenden Geschäften herausstürzen, alles mit schnellen Schnitten m