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Es werden Posts vom 2018 angezeigt.

Und dann friert die Pfütze zu: Liebe am Papierrand (Yoko Ogawa, 1991/2005)

 Abgesehen vom obligatorisch esoterischen Asien-Coverbild auf dem Buchdeckel, das die Erwartungshaltung in eine völlig falsche Richtung lenkt, ist dieses Buch, eine Kranken- und Liebesgeschichte einer Frau zu einem mysteriösen Stenographen mit schönen Händen, vor allem aber eines für Ohrenfetischisten. Laut Wikipedia war dieses der erste große, erfolgreiche Roman der Autorin und vielleicht ja auch eine Hommage an Murakami Haruki, dessen Ohren-Obsession hinlänglich bekannt ist. Es hagelte jedenfalls Literaturpreise in Japan.  Es ist ein leises Buch, noch viel leiser als die Eulersche Formel , und ein präzises in der Beobachtung des Alltäglichen. Die Figuren sind noch behutsamer und rücksichtsvoller gegen sich selbst und die Umwelt. Hier wird viel in Erinnerungen geschwelgt und in Gefühlszuständen, die nur mit ständig eingeschaltetem Seismographen wahrgenommen werden können. So ziemlich das Gegenteil von einem Ryu Murakami-Roman, aber keinesfalls besser. Und dann fällt Schnee, o

Eine irre und wirre Komödie: CRIME OR PUNISHMENT ?!? (Keralino Sandorovich, Japan 2009)

Eine wirre und irre Komödie aus Japan, die auf einem Theaterstück desselben Regisseurs basiert. Einzelne Momente, z.B. die komplette Eröffnung mit dem Sararyman ist toll, einzelne Momente und Erzählstränge später - während des recht lange sich anfühlenden Films - ebenso. Leider kann der Film aber weder sein Tempo halten, noch die Aufmerksamkeit des Zuschauers über die gesamte Spieldauer fesseln. Zu sehr fasert er auseinander, zu weit driften die einzelnen Stränge der Handlung auseinander.   Da verwundert es wirklich, dass Regisseur ケラリーノ・サンドロヴィッチ, kurz KERA genannt, alle diese Fäden auch wieder zusammenbringt. Eine reife Leistung! Allerdings muss man sich mehrfach dazu zwingen, bei diesem etwas bemüht wirkenden Film, am Ball zu bleiben. Das gelingt aber immer wieder dann doch, weil der Film niemals ganz abstinkt, oder die SchauspielerInnen zu gut sind. Zu gut für ihre Rollen, möchte man manchmal meinen. Und so Leute wie eine Sakura Ando taucht dann auch plötzlich a

Für alle sichtbar und dennoch weit weg: Die Ladenhüterin (Sayaka Murata, 2018)

Normalität setzt sich gewaltsam durch, Fremdkörper werden einfach beseitigt. Menschen, die nicht richtig funktionieren, werden entsorgt.  Nach gut der Hälfte dieses enorm sympathischen Romans findet die eigenbrötlerische Ich-Erzählerin Keiko Furukura zu diesen klaren und harten Worten, die gewissermaßen als Sentenz dem ganzen Roman zugrunde liegen. Und die zugleich eine gesellschaftliche Analyse darstellen, die ebendieser Gesellschaft ein äußerst negatives Zeugnis bescheinigen.  Keiko hatte sich schon als Kind als Außenseiterin gefühlt. Sie hat Ereignisse verstörend anders wahrgenommen, als die anderen Kinder um sie herum. Und sie hat nicht so reagiert, wie es sich gehört. Früh also war sie ein "auffälliges Kind" geworden, das man unter Beobachtung stellte, und für das sich die Eltern entschuldigen mussten. Um ihrem Umfeld weitere Konflikte zu ersparen, hatte sie sich daraufhin extrem in sich selbst zurückgezogen und jeden gesellschaftlichen Kontakt weitestgehe

Haruki Murakami: Die Ermordung des Commendatore I - Eine Idee erscheint (DuMont, 2018)

 Der namenlose Ich-Erzähler, ein in die künstlerische Krise geratener Portraitmaler, zieht sich nach gescheiterter Ehe in die Einsamkeit einer Berghütte zurück: es ist das ehemalige Häuschen des berühmten Malers Tomohiko Amada, der dort ungestört arbeiten wollte. Bald aber wird er von einem mysteriösen Nachbarn gestört, der sich ein Portrait anfertigen lassen will, wie von einem mysteriösen Glöckchenläuten, das nachts immer wieder erklingt und dessen Ursprung sich zunächst nicht erkunden lässt. Mehrere Frauengeschichten halten ihn ebenfalls auf Trab, wie auch ein Malkurs, den er im Städtchen Odawara am Fuß des Berges abhalten muss. Wie in einer Schauergeschichte findet er auch noch das titelgebende Gemälde auf dem Dachboden, das die Ermordung des Commendatore zeigt. Nach und nach macht sich der verhinderte Künstler, der eigentlich auf der Suche nach Ruhe und Einsamkeit war, an die Aufklärung der mysteriösen Ereignisse.  Ein typischer Plot für einen Murakami-Roman: eine Hauptfi

Adolf Muschgs Roman 'Heimkehr nach Fukushima': von der Liebe im Schatten des Reaktors (C.H. Beck, 2018)

 Der gedankliche Sprung vom "Löschwasser zum Fruchtwasser", den der Architekt Paul Neuhaus in Adolf Muschgs neuem Roman Heimkehr nach Fukushima anstellt, ist ein gewaltiger. Und der Schritt über diesen semantischen Graben hinweg ist so groß, wie einer über die Gräber der toten Japaner des Unglücks vom März des Jahres 2011. Soll das nun lustig sein? Darf man das überhaupt? Was wird geboren aus dieser neuen "Ursuppe" (sic!), die Muschg hier heraufbeschwört? Man fühlt sich manchmal etwas unwohl mit solchen Vergleichen und wilden Assoziationen und befürchtet, dass es der Autor mit der augenzwinkernden Bildlichkeit mitunter etwas übertreibt. Denn das Buch arbeitet mit vielen Dopplungen und Spiegelungen, die den Adalbert Stifter-Narren Paul Neuhaus aus dem Rheintal auf Einladung eines befreundeten Ehepaars nach dem japanischen Fukushima führen.  Man will Neuhaus vom Gast zum Vermittler machen, denn der Bürgermeister eines verstrahlten Ortes in der Region um d

Ali's Wedding (Jeffrey Walker, Australien 2017)

 Nachdem der talentierte aber leider erfolglose Ali die Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium an der Universität von Melbourne verpatzt hat, bringt er es nicht übers Herz, seinem Vater den Misserfolg einzugestehen. Der Sohn war die große  Hoffnung des muslimischen Klerikers, der das Zentrum der arabischen Community darstellt, und höchstes Ansehen genießt. Dass dessen Rivale nur auf einen Misserfolg Alis hofft, um selbst den Platz des Vaters einnehmen zu können, ist ein Seitenerzählstrang, der einen hochinteressanten Handlungsverlauf innerhalb der Moschee voranschiebt.  Das sind humoristische und tolle Einblicke hinter die Kulissen, die man nicht jeden Tag bekommt. Jedoch: Ali lügt. Er habe hervorragend abgeschlossen - und wird nun als Wunderkind gehandelt und sieht sich alsbald gezwungen, ein Leben an der Uni vorzutäuschen. Dort läuft er aber nicht nur permanent dem Sohn des Konkurrenten seines Vaters über den Weg, sondern auch der schönen Libanesin Dianne, in die er sich Hals üb

Das Lächeln im Angesicht der Tragödie: Yasujirô Shimazus Tonari no Yae-Chan / Our Neighbour, Miss Yae (Japan 1934)

 Als ich vor kurzem einmal wieder Our Neighbour, Miss Yae gesehen hatte, da war das einer von diesen seltenen Momenten, wo man nicht genau weiß, was da eigentlich gerade passiert ist; aber als die Abblende kam, nach dem letzten Bild mit der Kamera in den wolkenverhangenen Himmel hinauf – obwohl sich doch, wenn nicht alles, so doch so manches zum Guten aufgelöst hatte – war ich den Tränen nahe und zutiefst gerührt. Dabei war da gar nichts wirklich Rührseliges passiert, oder gar aufwühlend Melodramatisches. Der Film endet so, wie er anfängt, zumindest auf der Tonspur. Eine liebliche, langgezogen sehnsuchtsvolle Geigenminiatur, die von etwas Herzschmerz aus dem Leben kleiner Leute der unteren Mittelschicht aus irgendeiner japanischen Vorstadt in der Nähe von Tokio verkündet. Einmal sagt die Mutter, heute sei das Wetter so klar, man könne den Fuji sehen, aber das muss man glauben. Im Film taucht er nicht auf. Das ist kein Film für nationale Monumente. Hier wirken Dinge u

Alptraum Arbeitsplatz: To Each His Own (Izuru Narushima, Japan 2017)

   Es ist manchmal kaum zum Aushalten, wie der Protagonist Takashi Aoyama (gespielt von Asuka Kudo) von seinem Boss tyrannisiert wird. Yamagami (legendary Kotaro Yoshida) ist ein einziger Alptraum, ein sadistischer Menschenschleifer, der nichts anderes im Sinn hat, als die Angestellten in seiner Abteilung bis aufs letzte auszupressen. Das Regime ist das der Angst, das Mittel die totale Unterwerfung. Ob diese Verhältnisse nun überspitzt dargestellt werden oder beispielhaft für eine weitgehend übliche Praxis, ist schwer zu sagen. Film verdichtet. Der enorme Druck, unter dem die Salarymen und -women stehen und den sie erdulden müssen, ist jedenfalls Legende und nicht erst seit gestern bekannt.  Die Lage spitzt sich zudem zu, als Aoyama den Auftrag eines wichtigen Kunden verpatzt. Vor dem beruflichen und auch sozialen Ruin stehend gerät er in einen Zustand völliger mentaler und körperlicher Erschöpfung, der einem Delirium gleicht und auf einen Burnout hinweist. Sich selbst das Lebe

J-Horror, Yakuza und Verlorene Jugend: Notizen zur Nippon Connection 2018: Capsule Reviews

Bamy (dir.: Jun Tanaka, 2017)   The Third Murder - Hirokazu Koreeda auf ungewohntem Territorium - diesmal mit einem investigativen Gerichtsthriller. Der Film ist ein typischer slow-burner , der seine Spannung auf kleiner Flamme hochköchelt, bis es kaum mehr auszuhalten ist. Nicht geringen Anteil daran hat der - einmal mehr - hervorragend spielende Koji Yakusho. [Hirokazu Koreeda sidesteps the family drama business and pulls an awesome but ice-cold courtroom drama out of the bag. Featuring a devastatingly good Koji Yakusho.] Bamy - Jun Tanakas Geisterfilm nimmt die Traditionen des Genres auf und macht daraus etwas Neues in seinem mit kleinem Geld realisierten Independent-Film. Das komplette Review kann man hier nachlesen . Outrage: Coda - Takeshi Kitanos Abschlussfilm seiner dreiteiligen Yakuza-Reihe ist der schwächste Part der Trilogie. Obwohl die Szenen am Kai beim Angeln schön lakonisch sind und auch sonst wieder ausgiebig geredet und unvermittelt eruptiv g

Umzug der Erinnerungen: Danchi Woman (Akiko Sugimoto, Japan 2017)

 Wir sehen es an den Dokumentarfilmen über Fukushima, wie wichtig den Menschen ihre Heimat, ihr Zuhause ist. Man will offensichtlich, selbst bei den größten Katastrophen, nicht die Region verlassen müssen, die einem über Jahre oder Jahrzehnte ans Herz gewachsen ist. Akiko Sugimoto portraitiert in ihrem zweiten Dokumentarfilm eine ältere Dame von 85 Jahren, die aus einem public housing - Gebäudekomplex im Hafen von Yokohama, südlich von Tokyo, ausziehen muss. Nicht weit davon befindet sich das neue Gebäude mit Luxuswohnungen, die für die letzten Bewohner des alten baufälligen bereit stehen. Es stellt zwar eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation dar, doch möchte sie eigentlich nicht umziehen. Und den ganzen Plunder entsorgen, der sich angesammelt hat. Denn darin wohnen die Erinnerungen an ihr Leben.  Sie hat ihr halbes Leben hier verbracht, und sehr viele Dinge um sich herum angesammelt - die Kamera von Akiko Sugimoto bewegt sich wie ein Höhlenforscher durch die Schluc

Überleben nach der Katastrophe: Trace of Breath (Haruka Komori, Japan 2017)

 Trace of Breath ist ein Dokumentarfilm und der erste Langfilm der japanischen Regisseurin Haruka Komori, die nach dem Unglück von 2011 von Tokyo nach Rikuzentakata in der Präfektur Iwate gezogen ist, um das Leben der Menschen in der Region zu dokumentieren. Rikuzentakata wurde vom Erdbeben und vor allem durch den Tsunami völlig zerstört. Nach und nach wird das Städtchen nun aus den Überresten des Unglücks rekonstruiert, eignetlich neu gebaut. Viele Menschen verloren ihr Leben, die allermeisten Gebäude sind vernichtet, und alleine den Alltag zu bestreiten ist eine große Herausforderung. Da so viel aufgeräumt, rekonstruiert und gebaut wird in diesem Film, ist er geprägt von einem permanenten Soundtrack des Baustellenlärms. Ständig fahren LKWs vorbei, überall arbeiten Maschinen, einen Ausblick gibt es nicht.  Aber im eigentlichen Zentrum des Films steht vor alleim ein Mann, der seine Gartenhandlung verloren hat. Genauer: er ist Saatguthändler, und hat, nach der völligen Zerstöru

Stoischer Humor: Party 'round the Globe (Hirobumi Watanabe, Japan 2017)

 Der Gewinner des letztjährigen Nippon Vision Awards kehrt zurück mit einem Film, der seinem Poolsideman (2016) formal sehr ähnlich ist. Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: zwei junge Männer sitzen im Auto und fahren nach Tokyo zu einem Konzert von Paul McCartney. Da sich Watanabes Filme durch lange Einstellungen und eine statische Kamera auszeichnen, passiert hier nicht viel, außer dass einer der beiden permanent redet, und der andere nie. In amerikanischen Reviews würde man jetzt den Begriff deadpan humour lesen können - es ist subtil lustig, weil das so wahnsinnig trocken inszeniert ist. Knalleffekte gibt es hier nicht. In schwarz-weiß noch dazu. Minutenlang passiert einfach nichts, außer diesem Gequatsche und dem ruhigen, zen-buddhistischen Blick des Fahrers, der das alles irgendwie erträgt, ohne aggressiv zu werden.  Der Film setzt sich aus einer ständige Aneinanderreihung von vielleicht sechs Einstellungen zusammen, die alle auch immer wiederkehren, um das gleichfö

Nippon Connection 2018 - Das Programm.

 Es ist für mich mittlerweile zur Tradition geworden, Ende Mai über Fronleichnam nach Frankfurt zu reisen und eine knappe Woche beim Nippon Connection Film Festival dem japanischen Film zu huldigen. Es gibt aber noch einen Grund, dies jedes Jahr zu wiederholen: die Atmosphäre des Festivals ist einzigartig. Das liegt nicht nur daran, dass eigentlich alle Anwesenden ausgesprochen gut gelaunt sind (ein großer Gegensatz zur Berlinale, zum Beispiel) - sondern dass ich dort enorm viele Leute treffen kann, die mir mittlerweile ans Herz gewachsen sind. Und neue Bekanntschaften zu machen, die das Potenzial dazu hätten, wenn man sich öfters sähe. Die Begeisterung für alles Japanische scheint eine tiefe, unausgesprochene Verbundenheit zwischen den Festivalteilnehmern zu stiften, die für einen kurzen Moment alles möglich erscheinen lässt. Auch dieses Jahr ist das Film-Programm wieder sehr schön geworden. Neben dem tollen Rahmenprogramm, bei dem vor allem drei Veranstaltungen für mich hera

Eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs: Swaying Mariko (Koji Segawa, Japan 2017)

 In Koji Segawas einstündigem Film Swaying Mariko wird direkt zu Beginn deutlich, was das Besondere an ihm ist: die Erzählperspektive ist ganz dicht an die Hauptfigur Mariko angelegt (sehr nuanciert gespielt von Chise Ushio). Wir sehen die Ereignisse durch ihre Augen, mit einer zusätzlichen Voice-Over-Kommentar-Tonspur, die ihren Gedankenfluss transportiert. Es ist also kein klassisch übergeordneter Erzähler-Kommentar, der hier abläuft und der Kontext wie Übersicht erschaffen würde, sondern eine subjektive Meinung, die sogar eher für zusätzliche Verunsicherung sorgt.  Denn in Marikos Kopf herrscht eine ziemliche Verwirrung. Ein Chaos, da ihre angespannte Lebenssituation voller Einsamkeit und zugleich voller Verpflichtungen sie ziemlich unter Druck setzt. Immer wieder kippt die Situation in Momente schwarzen Humors, da die Gedanken völlig in Kontrast zu dem stehen, was man sieht. Zwischen Dargestelltem und Wahrgenommenem tut sich eine Schere auf. Generell aber findet eine zuneh

shomingeki no. 25 heute online erschienen!

   Heute ist die 25. Ausgabe der legendären Filmzeitschrift shomingeki erschienen . Zum ersten mal online als digitale Version, da die Print-Edition - wie ich höre - zu teuer und aufwändig geworden war. Diesen Schritt, den mittlerweile viele und auch viel größere Filmzeitschriften durchgeführt haben (zuletzt prominent der film-dienst ), ist eine plausible Lösung, Erzeugnisse mit vor allem ideellen Charakter weiterhin am Leben zu erhalten. Abgesehen davon, dass der Inhalt damit allen zugänglich und die Verfügbarkeit gesichert wird, verhindert es schlicht das Ende des Projekts (wie zuletzt bedauerlicherweise beim Schnitt ).  In dieser Ausgabe finden sich neben Texten von Bettina Klix verschiedene Texte zu Terrence Malick, der indisch-bengalischen Regisseurin Aparna Sen, zu Anjan Dutt und Olivier Assayas. Außerdem ein Text von mir, was mich außerordentlich freut, zu Yasujiro Shimazus shomingeki-Klassiker Our Neighbour, Miss Yae aus dem Jahr 1934.  Den Text findet ihr pe

Japanisches Film Fest Hamburg 2018

 Gestern Abend hat das diesjährige Japanische Filmfestival Hamburg seine Pforten geöffnet. Wie man auf einem live-Video auf Facebook mitverfolgen konnte, war die Eröffnungsveranstaltung sehr gut besucht und alle Mitarbeiter, wie auch japanischen Gäste erschienen auf der Bühne für eine ausgedehnte Vorstellungsrunde. Als Film wurde die Anime-Realverfilmung GINTAMA (2017) von Yuichi Fukuda gezeigt, in dem ein Samurai-Krieger aus der Edo-Zeit mithilfe von viel CGI, Blitz und Donner durch mehrere Zeitebenen reist und es unter anderem mit einer Invasion von Außerirdischen aufnehmen muss. Nun ja. Der Regisseur ist bekannt für seine inhaltlich grenzgängerischen Werke, die HENTAI KAMEN-Filme sind sicherlich einigen Leuten ein Begriff.  Das Programm ist wie jedes Jahr sehr knallig und vor allem breit aufgestellt - und bedient damit die unterschiedlichsten Sparten. Heute Abend etwa läuft Eiji Uchidas neues Loser-Drama LOVE AND OTHER CULTS ( das ich hier besprochen habe ), zeitgleich zu

Jugend am Abgrund: Love and Other Cults (Eiji Uchida, Japan 2017)

 Der japanische Independent-Film bringt auch heute noch saftige, verbotene Früchte hervor: ein gutes Beispiel ist des Regisseurs Eiji Uchidas vorherige, ebenfalls von Third Window Films produzierte, Meta-Erotikfilm-Groteske LOWLIFE LOVE (2015) mit einem fabelhaft fiesen Kiyohiko Shibukawa in der Hauptrolle. Auch hier gibt es wieder eine starke Protagonistin mit Sairi Ito als Ai, die zuerst als junges Mädchen in ein Jesuscamp gesteckt wird, wo sie einem Messias aus dem Westen huldigt, und später dann auf die schiefe Bahn gerät und im Pornobusiness endet.  Aber: leider ist das nur die halbe Wahrheit. LOVE AND OTHER CULTS ist bei weitem nicht so dicht gescriptet wie sein Vorgänger, sondern stellt eine ganze Vielzahl an verschiedenen Figuren immer wieder ins Zentrum seiner vielen Geschichten. Eine Entscheidung, die den Film nicht nur in einzelne Episoden zerlegt, sondern insgesamt auch wenig kohärent erscheinen lässt. Und dann kommen noch ein paar Zeitsprünge hinzu und das Cha

Home Invasion, sanftbrutal: Harmonium (Kôji Fukada, Japan 2016)

 In Kôji Fukadas Drama spiegeln sich mehrere Konstellationen: Figuren, Ereignisse, Zeitverhältnisse. Und die Gewalt, die unterschwellig immerzu präsent ist, wird von den beiden Männern ausgeübt. Wie sie darum ringen, ein Leben zu haben, oder sich für ein solches nicht-gelebtes beim anderen zu rächen. Aber zunächst ist alles ungewiss und erst im Verlauf des Films werden Zusammenhänge und Verknüpfungen aus der Vergangenheit enthüllt. Und plötzlich ist der Mensch, den du zu kennen glaubtest, ein ganz anderer. Beinahe.  Manchmal ist man als Zuschaur im Vorsprung vor den Figuren, was die Spannung steigert und den unguten Vorahnungen Vorschub leistet. Aber wie sich das alles entlädt, das ist meisterhaft gemacht von Kôji Fukada und seinen vier bis fünf Darstellern, die alle für sich herausragend sind: Tadanobu Asano als Eindringling in die Familie, Kanji Furutachi als Familienvater, den seine Frau schon länger nicht mehr interessiert, Mariko Tsutui als Mutter und Ehegattin, die versu

Zerstörte Jugend: Naachiyaar von Bala (Indien, 2018)

 Ganz zu Beginn von Balas tamilischem gar nicht so alltäglichem Alltagsdrama Naachiyaar kommt es zu einer Verfolgungsjagd, die symbolhaft für den Film stehen könnte. Der junge Kaathu rennt vor seinen Verfolgern davon. Die Polizei ist ihm auf den Fersen. Sie glauben, er habe sich an der noch minderjährigen Arasi vergangen, weshalb diese nun schwanger ist. Da er ein einfacher Tagelöhner ist und sowieso Hals über Kopf verliebt, ist er dann aber bereit, auch diese Unwahrheit zu gestehen. Dass das Opfer selbst behauptet, er sei ein lieber Junge und habe ihr nichts angetan, interessiert die Polizisten wenig. Allen voran die Kommissarin Naachiyar, die sich dem Mädchen angenommen hat. Doch dann belegt eine DNA-Probe, dass Kaathu nicht der Vater sein kann. Was ist also überhaupt passiert? Und für die beiden Liebenden bricht eine Welt zusammen.  In einem langen Flashback erzählt Bala dann den Hergang der Geschichte, so wie sie eigentlich war. Und nebenbei auch von der Liebesgeschichte, w

Apprentice ~ Tu Xing (Boo Junfeng, Singapur 2016)

  Boo Junfengs indonesisches Drama Apprentice aka. Tu Xing (2016) ist ein reduzierter, auf kleiner Flamme köchelnder slow-cinema Gefängnis-Film, der mit der Zeit aus seinem Inneren heraus eine mächtig bedrohliche Spannung aufbaut.  Das liegt einerseits daran, dass im Verlauf der Handlung noch mindestens zwei bis drei weitere, tieferliegende Schichten an die Oberfläche drängen, die für Konflikte sorgen. Andererseits steigt der Druck, der auf der Hauptfigur namens Aiman (Fir Rahman) lastet, enorm an. Er spielt seine Rolle mit großer Selbstbeherrschung, die seine Gefühle unterdrückt. Dass er jemand ist, der zu Gewalt neigt, sieht man zwar nie im Film selbst, doch ergibt sich das aus seiner Biographie: Sohn eines Drogendealers, Mitglied einer Jugendbande, später selber Pusher. Man wartet geradezu darauf, dass Aiman explodiert.  In diesem Film hat man es also mit einer anderen Perspektive wie sonst so häufig zu tun: nicht die Insassen stehen im Zentrum des Interesses,