Direkt zum Hauptbereich

Singham / सिंघम (Rohit Shetty, Indien 2011)


Bajirao Singham ist ein kleiner Police-Officer im ruhigen Dorf Shivgarh, das sich nahe der Grenze von Goa und Maharashtra befindet. Er ist ein Held im Dorf und eine Autoritätsperson, Händel und Streitigleiten löst er mit dem guten Menschenverstand. Oder auch mal mit der Faust und einem bösen Blick. Freilich ist er völlig durchtrainiert und sieht klasse aus (etwa wie ein indischer Freddie Mercury). Bald verknallt er sich auch in die hübsche Kavya, die allerdings mit dem Vater wieder nach Goa zurückgeht. Als nun der Pate von Goa, der Verbrecher Jaikant Shikre, nach einem Mord vorläufig auf Kaution freigelassen wird, muss er sich ausgerechnet in Shivgarh wöchentlich einfinden und auf Bajiraos Polizeistation vorsprechen. Das behagt ihm gar nicht und er versucht, Bajirao zu bestechen. Dagegen ist der natürlich immun und legt sich mit dem mächtigen Gangsterboss an. Richtig brenzlig wird es, als Singham nach Goa versetzt wird, da sich der dortige Polizeiinspektor selbst das Leben genommen hat (ein weiterer Nebenerzählstrang). Was Bajirao nicht weiß: Schuld daran ist Jaikant Shikre, der Singham in seinem Einflussbereich haben will - um ihn nun richtig fertigzumachen.

SINGHAM ist ein Remake des tamilischen Films SINGAM (Hali, 2010), in dem Prakash Raj ebenfalls die Rolle des Bösewichts Jaikant Shikre übernommen hatte. SINGHAM ist 2011 in Indien wohl ein riesiger Kinoerfolg gewesen. Eine Message sollte man freilich nicht von ihm erwarten, oder tiefgründigere Gesellschaftskritik (sofern ich das beurteilen kann); außer vielleicht des immergleichen "Lass' dich nicht unterkriegen!" Interessant ist jedenfalls, dass selbst die negativen Kritiken zum Film, die mir bei etwas Recherche im Netz begegnet sind, eigentlich keine plausiblen Argumente liefern, was tatsächlich an diesem Film schlecht gemacht sei. Das sind häufig Befindlichkeitskommentare, etwa dass man genervt sei, südindische Filme ge-remaket zu bekommen, dann Kritik an teilweise verwendetem südindischen Dialekt (mir ein Rätsel, wehalb das negativ sein soll), oder (!) dass die weibliche Hauptfigur nicht hübsch sei. Was übrigens definitiv gelogen ist. Nun ja, das nennt sich dann Filmkritik.

SINGHAM ist zwar ein aus hunderten Standardsituationen zusammengesetzter over-the-top - Actionfilm mit Romanzeneinschlag, in dem sich der "unbedeutende", aber aufrechte Mann gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner durchzusetzen hat, und doch hat er mir sehr gut gefallen. Er ist ausnehmend dynamisch, voller kinetischer Energie, die sich immer wieder eruptiv in den üppigen Actionszenen entlädt, in denen Bajirao Singham beinahe schon Superkräfte zu entfalten versteht. Ein Film, der sich auch kräftig beim Hongkong-Kino bedient. Eine effektive und knackige Tonspur tut das übrige. Prakash Raj hat mir sehr gut gefallen als Übeltäter, da er seiner Figur durchaus mehrere Facetten abzugewinnen versteht, drunter auch komische. Seine Rededuelle mit Ajay Devgn sind spannende Gefechte, in denen sich zwei ebenbürtige Männer gegenüber stehen. Und obwohl der Plot reichlich vorhersehbar ist, reisst der Film mit, der wie auf einer Überholspur von einer tollen Action- zur nächsten verhuschten Liebesszene springt, zu kauzigen oder liebevollen Charakteren, und dann zurück zu dem Mann mit dem Pornoschnurrbart und den glänzenden Muskeln. Einige sehr feine Songs runden den Film ab und grooven gut. Die 140 Minuten vergehen wie im Flug. Hier der Trailer, der einen ganz guten Eindruck gibt:

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

No Blood Relation / Nasanunaka (Mikio Naruse, Japan 1932)

Der etwa ein Jahr vor Apart from You entstandene Film Nasanu naka , Naruses erster Langfilm, ist unter den noch verfügbaren Stummfilmen eine deutlich ungehobeltere Produktion, als dessen recht bekannter Nachfolger. Schon die Eröffnungssequenz ist ein richtiger Tritt vor die Brust. Mit schnellen Schnitten und agiler Kamera wird die turbulente Verfolgung eines Taschendiebes gezeigt. Bevor der Dieb später auf offener Straße, so die komödiantische Auflösung, die Hosen herunterlässt um seine Unschuld zu beweisen (übrigens sehr zum Amusement der ebenfalls anwesenden jungen Damen, die aus dem Kichern nicht mehr herauskommen). Die Eröffnung aber ist gleich ein radikaler Reißschwenk über eine Straßenszene hinweg, hinein in eine schreiende Schrifttafel mit dem Ausruf: DIEB! Hier die Sequenz: Darauf die Verfolgung des Taschendiebes durch die alarmierten Passanten, die von der Straße zusammenkommen oder aus den umliegenden Geschäften herausstürzen, alles mit schnellen Schnitten m